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Büro-Design Office-Architektur: New Work in Progress

Besprechungsraum beim Softwareent- wickler Nexenio in Berlin – mit Tisch- tennisplatte
Besprechungsraum beim Softwareent- wickler Nexenio in Berlin – mit Tisch- tennisplatte
© Mark Seelen | de Winder / PR
Die Büros vieler Start-ups sind nicht nur schick, sie passen sich einer neuen Art des Arbeitens an. Claudia und Klaus de Winder haben viele von ihnen entworfen – und erklären, warum auch Chefs auf ein eigenes Büro verzichten sollten

Bei Mozilla in Berlin herrscht fröhliches Geschrei. Ein Mitarbeiter des amerikanischen IT-Anbieters hat seine kleine Tochter mit ins Esszimmer des Büros gebracht, aber zwei Kolleginnen ein paar Meter weiter lassen sich davon in ihrer Besprechung nicht stören. Alles in diesem Raum wirkt warm, freundlich – und ungeheuer stylish: die Tische aus hellem Naturholz und dunklem Metall, die Dutzenden Lampen mit kleinen Glasschirmen an der Decke. Mit der klassischen deutschen Konzernkantine hat dieser Raum nichts mehr zu tun, eher mit einer Tagesbar. Mittendrin sitzt Klaus de Winder und grinst. „Mozilla ist ein ziemlicher Idealfall“, sagt er.

Überall auf der Welt entstehen derzeit Büros, die völlig anders aussehen als das, was bei früheren Generationen unter dem Begriff Arbeitsplatz lief. Mehr Farbe, mehr Licht, mehr Abwechslung und vor allem: mehr Platz für Begegnungen – und weniger Orte, an denen sich die Mitarbeiter einigeln können. Gearbeitet wird nicht mehr in abschließbaren Zweierbüros, sondern in Sitzecken, an Theken mit Hochstühlen, an beschreibbaren Wänden – und natürlich in der Kaffeeküche.

Treppe im Zentrum der Berliner Nieder- lassung von Mozilla. Sie verbindet Emp- fang und Cafeteria
Treppe im Zentrum der Berliner Niederlassung von Mozilla. Sie verbindet Empfang und Cafeteria
© Mark Seelen | de Winder / PR

Der große Umbau findet nicht nur statt, weil Unternehmen es so hübscher finden, er folgt einer neuen Art des Arbeitens. Immer häufiger finden sich wechselnde Teams projektweise zusammen. Digitalfirmen, Start-ups, aber auch Konzerne suchen händeringend nach Kreativität, der neuen heißen Ware. Es zählt die Idee, nicht der sture Prozess.

De Winder ist Architekt – und er ist einer der großen Profiteure dieses Trends. Denn die neue Art des Arbeitens verlangt eine neue Architektur. Einen anderen Look und Räume, in denen sich die Leute gern länger aufhalten als von 9 bis 17 Uhr. Klaus de Winder und seine Frau Claudia liefern genau das. Zalando, Groupon, Rocket Internet, Google, N26 – die Liste von de Winders Kunden liest sich wie ein Who’s who der Digitalwirtschaft und all jener, die dazugehören möchten.

De Winder ist seit fast 30 Jahren im Geschäft. Er hat den ersten Dotcom-Boom miterlebt und den Aufstieg Berlins zur Style-Metropole. Er und seine Frau haben ein Gespür dafür entwickelt, was Firmen haben wollen, wenn sie New-Work-Büros verlangen – also Orte, die die klassischen Strukturen auflösen.

Ist das schon New Work? Meetingbox im Büro der Agentur SinnerSchrader in Frankfurt
Eine Meetingbox in der Mitte der Arbeitsfläche bei SinnerSchrader in Frankfurt
© Mark Seelen | de Winder / PR

Jedes Büro ist anders, und doch ist eine klare Linie erkennbar. Der wichtigste Punkt: Trennungen aufheben. Also Großraum, auch wenn de Winder es nicht gern so nennt. „Die Leute denken manchmal: Wir machen jetzt Großraum, und dann sind wir ein Start-up. Und so ist es ja nicht“, sagt de Winder, ein umgänglicher, geerdeter Typ – der aber Architektur durchaus als akademisches Thema versteht.

Das Problem beim Großraum natürlich: ist unbeliebt, klingt nach Legebatterie. Die de Winders versuchen daher, das Wort zu vermeiden: „Wir reden nie von einem großen, zusammenhängenden Raum, sondern eher von unterschiedlichen Dichten.“ Im Grunde, sagt er, gehe es darum, territoriale Konzepte aufzugeben. „Wir müssen aber versuchen, den Verlust zu kompensieren. Und nicht einfach etwas wegzulassen.“

Bei Mozilla, in Deutschland vor allem durch den Firefox-Browser bekannt, lässt sich gut erkennen, was das bedeutet. In den Kreuzberger Büros gibt es Räume, die sich mit hölzernen Trennstäben kurzfristig verkleinern lassen, die Stäbe wirken dann wie eine flexible, provisorische Trennwand. Es gibt schalldichte Kabinen für Videokonferenzen. Überall stoffbezogene Sitzbänke, auf denen man ins Laptop hacken kann. Im hellen Vorraum können auch Gäste, die nicht zum Unternehmen gehören, ihren Computer anschließen. Was man aber nirgends sieht: den angestammten Arbeitsplatz mit Schnurtelefon und Familienfoto. Statt-dessen gibt es Komfort für die jungen Mitarbeiter: Duschen und Platz für Fahrräder mitten im Büro.

Besprechungsräume im Berliner Büro des amerikanischen Browser-Anbieters Mozilla
Besprechungsräume im Berliner Büro des amerikanischen Browser-Anbieters Mozilla
© Mark Seelen | de Winder / PR

De Winder wird mittlerweile oft angerufen, aber er macht nur Dinge, die in sein grundsätzliches Konzept passen. Ein Schweizer -Unternehmen etwa wollte eine neue Arbeitswelt. Doch die Abteilungsleiter beharrten auf Eckbüros, obwohl sie meist unterwegs waren. De Winder wollte den Raum den Mitarbeitern geben. Das Projekt scheiterte. „Die Suche nach dem Platz, der nur für einen selbst da ist, gibt es immer noch“, sagt er. „Es ist wichtig, das aus den Köpfen rauszubringen.“

Auffällig ist: Das alte Denken wird häufig ausgerechnet in Gebäuden ausgetrieben, die selbst noch älter sind. Digitalunternehmen lieben alte, massive Industriearchitektur, wie sie in der ehemaligen Industriemetropole Berlin noch massig herumsteht. Auch Mozilla ist in ein altes Backsteingebäude eingezogen, das in den 20er-Jahren gebaut wurde. Lange waren das billige Flächen direkt an der Zonengrenze, heute sind solche Fabriketagen der letzte Schrei.

Warum sind die alten, schweren Gebäude so beliebt? „Es hat was von Machen, von Werkstatt, auch Laborcharakter – und den Charme von Unfertigem“, sagt de Winder. „Für uns als Architekten heißt das: Wir müssen im Grunde Unfertiges designen.“ Es ist eine weitere große Lehre der neuen Büroeinrichtung: Alles muss wie im Fluss scheinen, ständig veränderbar. So wie die Software der IT-Firmen, deren neuestes Update in wenigen Wochen veraltet sein wird. So etwas lässt sich passender herstellen in Räumen, die an ausgewählten Stellen demonstrativ unverputzte Wände haben. Es ist der Kern des „Berlin Style“: Die Stadt ist eine ewige Baustelle, und genauso sehen sich die Unternehmen, die in ihre alten Industriepaläste einziehen.

Konferenzzimmer der Mediaagentur Omnicom in Düssel- dorf, konzipiert als „unfertiger Raum“
Konferenzzimmer der Mediaagentur Omnicom in Düsseldorf, konzipiert als "unfertiger Raum"
© Mark Seelen | de Winder / PR

Der Trend des neuen Arbeitens hat auch eher traditionelle Unternehmen erfasst. Im Zentrum des alten Westberlins, zwischen Zoo und Gedächtniskirche ist 2014 die Unternehmensberatung -McKinsey eingezogen – und auch hier waren die de Winders beteiligt. Im Vorraum des Büros, das in den oberen Etagen der Konzept-Mall Bikinihaus liegt, empfängt Jean Philippe Colas, Senior Manager bei McKinsey. Zusammen mit Klaus und Claudia de Winder zeigt er die Büros, vor deren Fenstern die Paviane des Zoos herumturnen. „Wir wollten keinen Standard-Büroausbau mit Gipskartonwänden“, sagt Colas. Stattdessen geht es durch gediegene Räume, die an vielen Stellen die Kultserie „Mad Men“ zitieren.

Colas, der selbst Architektur studiert hat, hängte sich erheblich rein. Für die Treffpunkte zwischen den Büroflächen etwa sollten unbedingt Originalmöbel aus den 50er- und 60er-Jahren her. Colas trieb bei einem Händler in Lübeck einen größeren Posten auf, ließ die Sachen herschaffen und aufarbeiten.

Das McKinsey-Büro zeigt auch, wie ein Architekt arbeiten muss, wenn er in der New-Work-Szene Fuß fassen will: Die Planung verlief fast basisdemokratisch mit sogenannte Design Councils, bei denen die Mitarbeiter mitreden durften: über Raumkonzepte, Farben und selbst den Tisch in der Cafeteria. Statt für einen mit festen Beinen entschieden sich die Planer für einen Tisch mit Böcken. Die Berater mochten die WG-Anmutung. Es gab sogar ein Testbüro, in dem Mitarbeiter das gesamte Konzept ausprobieren konnten. „Wir haben versucht, alle mitzunehmen“, sagt Claudia de Winder.

Telefonkabinen wie hier bei McKinsey in Berlin gehören in vielen Büros dazu – auch für Gespräche
Telefonkabinen wie hier bei McKinsey in Berlin gehören in vielen Büros dazu – auch für Gespäche
© Mark Seelen | de Winder / PR

Dass das nicht immer problemlos läuft, zeigte sich an einem Thema, das oft ein Streitfall ist: der Raumverteilung. „Wir haben es ja mit Beratern bei McKinsey zu tun, also durchaus etwas eitleren Menschen“, sagt Klaus de Winder. „Die kommen erst einmal und sagen: Hey, ich habe ein Recht auf mein eigenes Büro!“ Das aber wollten weder de Winder noch McKinsey, da Berater viel reisen und die Flächen dann leer stehen. Nun gibt es eine fast schon revolutionäre Lösung: Zwar haben zumindest die Partner weiter feste Arbeitsplätze, aber die dürfen auch von allen anderen genutzt werden, wenn die Partner unterwegs sind. Wer einen Ort zum Arbeiten sucht, hat nun die Wahl: Er kann sich ans Fenster setzen, ein abgetrenntes Büro suchen oder zum Telefonieren in eine der Telefonboxen gehen.

Die Beteiligung der Kunden kann für die de Winders ein Segen sein – aber auch ein Fluch. Es gibt Fälle, da mischen sich selbst die Chefs in die Auswahl von Hölzern und Farben ein. Und ändern dann abrupt die Meinung. Das sind Momente, in denen die Architekten etwas ungeduldiger werden können. Es geht für die Unternehmen um eine Menge: Die Büros sind ein wichtiges Aushängeschild. Wer die cooleren Räume hat, lockt leichter die Talente, denen alle hinterherjagen. „Die Unternehmen wollen ja Geschichten fürs Recruiting erzählen. Und die Gebäude können dabei helfen“, sagt de Winder.

Manchmal kann das auch Glücksgefühle schaffen. Bei Mozilla brachte der Kunde die Idee auf, in der sechsten Etage eine Art Loggia einzuziehen, die sogenannte Sky Lounge mit weitem Blick über die Spree. Architekt und Bauleiter konnten ihr Glück kaum fassen, es kommt nicht oft vor, dass ein Bauherr so etwas vorschlägt. Jetzt steht die Erweiterung, ein luftiger Raum. Eigentlich kein Ort zum Arbeiten. Aber Arbeit ist ja nicht mehr das, was sie einmal war.

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