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"Grüne Baustelle" dank Batterie und Elektro-Bagger?

25. April 2021

Baustellen verursachen viel Lärm, Feinstaub und CO2-Emissionen - zulasten der Menschen. Städte und auch Maschinenhersteller suchen nach neuen Lösungen.

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Kräne und Baustellen vor Hochhäusern in Hongkong
In Hongkong wird viel gebaut - die Baustellen verursachen nicht nur Lärm und Staub sondern auch TreibhausgaseBild: Xiaomei Chen/newscom/picture alliance

Im Sommer ist es besonders schlimm. Wenn es heiß und schwül ist, sind Staub, Gestank und Lärm, den die viele Baustellen in Hongkong verursachen, kaum auszuhalten. 

"Egal, ob im Winter oder im Sommer: Es ist staubig und stinkt nach Diesel", sagt die 28-jährige Hongkongerin Dorothy Wong. "Wenn ich an den Baustellen vorbeikomme, ist es so laut, dass ich mir die Ohren zuhalten muss. Ausweichen kann man den Baustellen kaum. Die Stadt ist voll davon."

Aber die Hongkonger sind von den Baustellen nicht einfach nur genervt. Denn tatsächlich sind deren Auswirkungen auf die Luftqualitiät erheblich. Die schweren Baumaschinen und der Spritverbrauch auf den Baustellen sind ein Grund für die Luftverschmutzung in der Stadt. Ist man den Stickoxiden und dem Feinstaub länger ausgesetzt, können sie Herz und Lunge schädigen. 

Ein Bagger vor einer Baustelle im deutschen Freiburg
Schwere Baugeräte wie Bagger verbrauchen viel Diesel - das sorgt für hohe CO2-Emissionen Bild: Winfried Rothermel/picture alliance

Etwa 39 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen entstehen im Bausektor. Umfassende Daten, welchen Anteil die Baustellen daran haben, gibt es nicht. Allerdings existiert eine Analyse aus Korea, die die Emissionen beim Bau eines Gebäudekomplexes unter die Lupe nahm. Sie ergab, dass der reine Baustellenbetrieb gut vier Prozent der Gesamtemissionen verursachte.

Dreckschleudern Diesel-Generatoren  

Ein Grund sind die Schadstoffe durch Dieselgeneratoren, welche die schweren Baumaschinen antreiben. Das Hongkonger Bauunternehmen Gammon Construction experimentiert daher seit 2019 mit Lithium-Ionen-Batterien als sauberer Energiequelle.  

Diese Batteriesysteme des Hongkonger Start-ups Ampd Energy sehen aus wie mannshohe Metallwürfel und werden Enertainer genannt. Jeder Enertainer kann zwei Dieselgeneratoren ersetzen, die nötig sind, um vier Turmkräne zu betreiben. Das senkt den CO2-Ausstoß um mehr als 80 Prozent. 

"Ein Diesel-Generator, mit dem ein Kran betrieben wird, emittiert hier in Hongkong etwa 140 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr", sagt der fürs operative Geschäft zuständige Julian de Jonquieres von Ampd. "Der Strom zum Aufladen unseres Enertainers verursacht aber nur etwa 25 Tonnen."

Lithium-Ionen-Batterien des Start-ups Ampd Energy in großen, weißen Metallbehältern
Enertainer: Mit dem Batteriesystem des Unternehmens Ampd Energy können auch schwere Baumaschinen betrieben werdenBild: Ampd Energy

Gammon Construction hat diese Speichersysteme zum Betreiben schwerer Baumaschinen inzwischen auf sieben seiner Baustellen eingesetzt.  Aber die Stadtbevölkerung wächst und damit auch die Nachfrage nach neuen Gebäuden. Deshalb wird weiter nach Wegen gesucht, die Baustellen nachhaltiger zu machen. Einige Metropolen spielen hier eine Vorreiterrolle.

Nachhaltiges Bauen - Städte sind führend

Zum Beispiel Norwegens Hauptstadt Oslo: Als sie 2019 eine stark befahrene Straße in eine Fußgängerzone umwandelte, kamen hauptsächlich Baumaschinen mit Elektroantrieb zum Einsatz. Die Stadt leistete mit dieser ersten Null-Emissions-Baustelle Pionierarbeit.

Nach Angaben der örtlichen Behörden sparte das 35.000 Liter Diesel ein - und vermeid die Freisetzung von 92.500 Kilogramm Kohlendioxid.

Oslo hat sich neben anderen Metropolen wie Los Angeles, Budapest und Mexiko-Stadt dazu verpflichtet, die Emissionen bei allen neuen Gebäuden und Infrastrukturprojekten bis zum Jahr 2030 um mindestens die Hälfte zu reduzieren. Bis 2025 wollen diese Städte nur noch emissionsfreie Baumaschinen einsetzen.

Ein Mann mit orangefarbener Warnweste und Schutzhelm vor einem orangefarbenen Elektrobagger auf einer Baustelle in Oslo
Oslo rühmt sich der weltweit ersten Null-Emissions-Baustelle, auf der hauptsächlich Elektrogeräte eingesetzt wurdenBild: Klima Oslo

Für Oslo dürfte das relativ einfach werden. Bereits jetzt erzeugt die Stadt 98 Prozent ihres Stroms aus erneuerbaren Energien, zum Beispiel aus Wasserkraft. Doch Baumaschinen zu finden, die ohne fossile Brennstoffe auskommen und die dafür notwendige, zuverlässige Stromversorgung gewährleisten, sei gar nicht so einfach, sagt Nils Gelting Andresen. Er arbeitet für die städtische Klimaschutzbehörde.

Neue Ausschreibungskriterien, die Firmen ermutigen, emissionsfrei zu bauen sowie städtische Fördergelder für Maschinen, die mit nachhaltigen Biokraftstoffen, Strom oder Fernwärme laufen, könnten helfen, meint er. Aber es müsse einen globalen Impuls in Richtung grüne Baustellen geben, um die Nachfrage nach solchen Geräten anzukurbeln, sagt Andresen.

"Das Wichtigste, um eine steigende Nachfrage zu erreichen, ist eine internationale Zusammenarbeit, eine globale Ebene - denn Oslo ist eine sehr kleine Stadt", so Andresen zur DW. "Um den hohen Bedarf an Strom auf der Baustelle zu decken, werden neue Technologien und Lösungen notwendig sein. Wir sehen bereits erste Entwicklungen - wie Batterien und mobile Ladelösungen."

Batterien als Alternative?

Das Unternehmen Wacker Neuson versucht bereits, die bis jetzt noch begrenzte Nachfrage nach nachhaltigen Maschinen zu bedienen. Das deutsche Unternehmen produziert seit 2015 elektrische Baumaschinen, darunter Bagger, Radlader und Akkustampfer.

"Fast alle unsere Null-Emissions-Maschinen laufen mit Batterien und können dadurch unabhängig vom Stromnetz betrieben werden", teilt das Unternehmen mit.

In Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen gab es zwischen September 2020 und Februar 2021 die erste emissionsfreie Baustelle. Dort wurden elektrische Baumaschinen von Wacker Neuson eingesetzt. Die Kohlendioxid-Emissionen sanken so um 85 Prozent.

Eine Baustelle in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen
Eine emissionsfreie Baustelle in Kopenhagen - die dänische Hauptstadt ist eine von mehreren Städten, die umweltfreundlicheres Bauen fördernBild: City of Copenhagen

Doch der Umstieg ist teuer. So sei beispielsweise Diesel, dem hydriertes Pflanzenöl (HVO) beigemischt wurde, um 50 Prozent teurer als herkömmlicher Diesel, sagt Christina Schulin-Zeuthen, Leiterin des städtischen Bauamtes von Kopenhagen der DW.

"Außerdem kosten elektrische Baumaschinen auch viel mehr", so Schulin-Zeuthen. "Hoffentlich sinken die Preise, jetzt wo sich der Markt in Richtung klimafreundliche Lösungen bewegt."

Baustellen sind erst der Anfang

Baustellen sind jedoch nur eine Ursache der Emissionen in der Branche.  Denn auch die Herstellung von Zement, dem weltweit wichtigsten Baumaterial, ist sehr ressourcen- und energieintensiv. Sie verursacht rund acht Prozent der globalen CO2-Emissionen. Darüber hinaus ist der Betrieb von Gebäuden, also die Beleuchtung, Heizung und Kühlung, für etwa 28 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich.

Rauch quillt aus dem Schornstein einer Zementfabrik in Schottland
Die Herstellung von Zement verursacht viele Treibhausgase Bild: picture-alliance

Albert Chan ist Professor an der Hong Kong Polytechnic University im Bereich Gebäude- und Immobilienwirtschaft. Der Bauprozess von Gebäuden müsse optimiert werden - aber das allein reiche noch nicht, betont er.

"In der Nachhaltigkeitsforschung gilt die Betriebsphase als viel wichtiger und komplexer. Nur wenn auch sie in der Planung berücksichtigt wird, kann das eine grüne Umweltbilanz für die gesamte Lebensdauer eines Hauses garantieren", so Chan. 

Dennoch ist Chan überzeugt, dass emissionsfreie Baustellen eine treibende Kraft bei der Umgestaltung des gesamten Bausektors sein könnten und nachhaltige Maschinen "zu einer weltweiten Transformation führen werden".

Für Bewohner von Städten wie Hongkong kann dieser Wechsel nicht früh genug kommen. "Es wäre großartig, wenn die Baufirmen die zusätzliche Hitze und den Staub, den sie auf ihren Baustellen verursachen, reduzieren könnten", sagt Hongkongerin Wong. "Aber ich weiß, dass das ziemlich schwierig wird."

Indien: Nachhaltiges Bauen, grünes Wohnen

Chermaine Lee Umwelt Global Ideas Hongkong