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Kultur 80. Geburtstag

Warum Janosch die Tigerente für "Mist" hält

Janosch, der Vater des kleinen Bären und des kleinen Tigers, ist an diesem Freitag 80 Jahre alt – doch sein Werk hat ihn nicht glücklich gemacht.

Vielleicht war es nur dieser eine geniale Moment. Der Moment, in dem ihm einfiel: Der kleine Bär und der kleine Tiger kehren am Ende der sehnsuchtsvollen Reise dahin zurück, wo sie herkommen. Und merken es nicht. Und denken, sie seien in Panama. Und finden es wunderbar. Und sind glücklich. "Oh Tiger", sagte jeden Tag der kleine Bär, "wie gut es ist, dass wir Panama gefunden haben, nicht wahr?" So schön kann das Leben sein.

Und auch für Janosch war die Tatsache, dass Bär und Tiger glaubten, Panama gefunden zu haben, ein großes Glück. Ohne dieses kleine Werk hätte er nicht zwölf Millionen Bücher verkauft. Niemand würde in den deutschen Zeitungen Artikel zu seinem 80. Geburtstag schreiben. Und die Werke des Kinderbuchautors würden nicht in den Schaufenstern der Bücherläden liegen.

Janoschs genialer Moment

Diesen genialen Moment beschrieb Janosch im Interview mit "Welt Online" so:

"Ich hatte so die Schnauze voll von diesem Job, weil ich überhaupt nichts bezahlt gekriegt hab, ich hab nichts verdient, und ich weiß noch, wie ich diesen magischen Augenblick hatte, ich war so total verzweifelt und habe gesagt, ich mach das nicht mehr. Da hab ich eine Tasche genommen und bin nach Ibiza gefahren, hab da draußen in so einer Kneipe rumgesessen, trank zwei Cuba Libre. Beim zweiten Glas hatte ich plötzlich die Idee, dass der blöde Bär nach der Reise wieder nach Hause kommt – und denkt, das ist das, was er gesucht hat. Ich flog zurück und hab das aufgeschrieben. Das war's dann."

Das ist jetzt mehr als 30 Jahre her. "Oh, wie schön ist Panama" gewann 1979 den Deutschen Jugendbuchpreis. Die Geschichte hat die Deutschen so gerührt, dass sie das Buch wie verrückt kauften. Janosch hatte auf einmal viel Geld. Er zog nach Teneriffa. Und legte sich in die Hängematte.

"Die Tigerente ist Mist"

Es ist ein bisschen so wie beim kleinen Tiger. Der baut sich, als sie angeblich in Panama angekommen sind, zuerst einen Schaukelstuhl, während der Bär den Tisch zimmert. Der Tiger erklärt das so: "Sonst kann ich mich nicht schaukeln."

Janosch schrieb etwa 300 Bücher, sie wurden in 40 Sprachen übersetzt. Und all die Bücher verkauften sich, weil er plötzlich populär war. Lari Fari Mogelzahn, der lügende Nussknacker. Onkel Poppoff, der auf Bäume fliegen kann. Die Maus Schimanski, die unglaublich viel Kraft in der rechten Pfote hat.

Doch der Mann ist schwierig. (Gibt es eigentlich einen Künstler, der nicht schwierig ist?) Er mag sein Werk nicht, schimpft: "Die Tigerente ist Mist." Er ärgert sich, dass diese Figur seine berühmteste wurde, dass Frauen mit Tigerenten-Ohrringen rumlaufen, dass Kinder Tigerenten-Fahrräder haben. Und wahrscheinlich grämt es ihn auch, dass seine Erwachsenenromane nicht so gut ankamen wie seine Kinderbücher.

Janosch verehrt Joseph Roth

Dabei ist es unendlich schwer, die Dinge leicht aussehen zu lassen. An seinen Sätzen hat er besessen gefeilt, sagt er, immer wieder umgeschrieben, alles Überflüssige rausgeworfen, und doch war er immer noch unzufrieden. Janosch sagt: "Ich bin aus Irrtum ein sogenannter Künstler geworden, weil ich gedacht hab, das ist keine Arbeit."

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Wenn man sich mit Janosch E-Mails schreibt, in denen er über Gott schimpft und die er schon mal mit "Verehrungswürdiger Alex" beginnt, erwähnt er auch seine Romane. Die müsse man mal lesen, schreibt er, um sie sofort danach als "Unwerk" abzutun.

"Polski Blues" oder auch "Gastmahl auf Gomera" sind gut geschriebene, kleine Romane, ziemlich autobiografisch. Aber große Kraft entfalten sie nicht. Er ist, und das weiß er auch, weit weg von einem Werk wie dem "Radetzkymarsch", dem großen Roman von Joseph Roth, den Janosch über alles verehrt, von dem er immer wieder spricht, von diesem unglücklichen, saufenden Schriftsteller.

"Grass ist so ein Gernegroß"

Über Günter Grass lästert Janosch. Im April war er im Grass-Haus in Lübeck, seine Bilder wurden ausgestellt. Grass, der Literaturnobelpreisträger, war nicht da, ließ Janosch aber ein Exemplar seiner Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" überreichen.

Im Auto nach Hamburg hat Janosch dann das Buch aufgeklappt. Der erste Satz war ihm schon zu schwafelig, zu nichtssagend. Was sein Urteil über Grass nur bestätigte. Und diese Widmung, dieses geschwungene "G", das über die ganze Seite fließt. "Der Grass ist so ein Gernegroß", sagte Janosch und ließ das Buch auf den Boden des Autos gleiten.

Man kann Janosch auf Teneriffa besuchen. Im Dezember war er gut drauf, obwohl er gerade aus dem Krankenhaus kam. Janosch wohnt spartanisch, seine Kleidung besteht aus groben Stoffen, er hat einen großen, breiten Schnurrbart, er fährt einen alten Nissan Micra, und weil sein Knie kaputt ist, stützt er sich auf einen selbst geschnitzten Stock.

Janoschs ungenutzte Ideen

Wenn man die Straße entlangkommt, hebt er den Stock. Er sieht nicht aus wie ein Mann, der zwölf Millionen Bücher verkauft hat. Er sieht aus wie ein albanischer Bauer. Das Paradoxe des Panama-Buches hat sich in gewisser Weise für Janosch im wirklichen Leben wiederholt: Von dem ganzen Geld ist nämlich nicht viel übrig.

Sagt Janosch. Einen Teil hat er irgendwie durchgebracht. Doch man habe ihn vor allem betrogen, sagt er, und wenn er darüber redet, wird der große Mann mit der leisen Stimme etwas lauter. Die Rechte an seinem Werk habe er der Janosch AG überschrieben, die habe ihm dafür aber nur wertlose Aktien gegeben.

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Er sagt: "Die kriminelle Gegenseite." Die Geschichte hat dann auch dazu geführt, dass er nicht mehr arbeitet, sondern nur noch das Leben genießt. Er hat Ideen, er erzählt sogar von ihnen, obwohl ihm ja der Bär angeblich zum Hals raushängt. Aber er will nicht mehr. Weil er kein Geld sehen würde. Das würde alles die Janosch AG bekommen, sagt er. "Seit Jahren bin ich bei null."

Janosch wollte keine Kinder

Janosch heißt eigentlich Horst Eckert. Er wurde am 11. März 1931 in Hindenburg (Schlesien) geboren, heute heißt der Ort Zabrze und liegt in Polen. Seine Kindheit war nicht schön. Sein Vater habe gesoffen und ihn mit der Pferdepeitsche geschlagen, sagt Janosch.

Seine Mutter habe lieber ein Mädchen haben wollen. Und der Katholizismus, die strenge Erziehung durch die Priester, die Beichte, das alles habe ihn verblödet. Das wirkt bis heute nach, an seine Mails hängt er Zeichnungen, auf einer berührt ein Priester das Geschlecht eines Jungen. So schlimm kann das Leben sein.

Janosch hat keine Kinder, er wollte nie. Er erklärt das mit seiner Kindheit. "Ich möchte kein Kind sein. Ich kann niemandem zumuten, etwas zu sein, was ich nicht möchte."

Seine Kindheit will er nachholen

Umso seltsamer wirken Szenen wie in Lübeck, wo Kinder im Grass-Haus Janosch eine große Torte überreichen. Er lächelt den Kindern dann zu, seine Augen haben sogar ein kleines Leuchten.

Nach der Kindheit und der Flucht nach Westen am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es dann aber irgendwann besser. Vor allem die Zeit in München-Schwabing war wohl gar nicht so schlecht. Auch wenn er zweimal auf der Kunstakademie abgelehnt wurde. Auch wenn sich seine Bücher zunächst nicht verkauften. Auch wenn er von der Hand in den Mund lebte.

"Weil ich keine Kindheit gehabt habe, muss ich sie jetzt ewig nachholen", sagt Janosch. Für einen erwachsenen Mann benimmt er sich ziemlich seltsam. Trinkt auf Teneriffa, obwohl gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen, zum Mittagessen ordentlich Sangria und fährt danach mit seinem Auto über die Insel.

Janosch wollte nie ein Bürotyp sein

Er möchte nicht wie die anderen sein. Er wollte nie ein Bürotyp sein. Er sagt: "Die Schrägheit ist ein Seiltanz zwischen Wahnsinn und Spießigkeit. Wenn Sie Frau und Kinder haben und jeden Tag um acht Uhr aufstehen müssen, können Sie nicht schräg sein, sonst hauen die alle ab." Für Menschen, die nicht schräg sind, sieht es so aus: Janosch ist ein Kind im Körper eines alten Mannes.

Janosch mag auch keine Frauen. Seine Freundin Ines wohl schon. Sie ist 30 Jahre jünger, sie sind nicht verheiratet, er nennt sie, wenn sie nicht dabei ist, "meine Alte". Aber: "Ich bin Weiberfeind", sagt Janosch. Weil sie nicht mit ihm schlafen wollten, früher, bevor er berühmt war, bevor "mir die Prostata ausgebaut wurde". Seit er nicht mehr könne, sagt Janosch, fühle er sich befreit.

Die Geschichte "Guten Tag, kleines Schweinchen" sagt viel aus über Janoschs Frauenbild: Da trifft der kleine Tiger im Wald das kleine Schweinchen. Spielt mit ihm, verlässt den kleinen Bären, zieht beim Schweinchen ein. Doch dann muss der Tiger nur noch schuften, das Schweinchen schickt ihn zum Einkaufen, lässt sich von ihm bedienen, kommandiert ihn herum. "Das machen doch alle Frauen", sagt Janosch. Die befehlen. Das ist nicht gut. Aber bei mir ist das gut. Weil meine Frau intelligenter ist als ich. Also, ich mach alles, was sie sagt."

Janosch und die Geschichte von Valek

Wenn man das also mal zusammenzählt: Janosch hasst Frauen, er mag Kinder nicht, er hasst die katholische Kirche, er mag sein Werk nicht. Und sein Leben eigentlich auch nicht. "Alles zusammengenommen", sagt er, "hätte ich lieber nicht gelebt." Und doch hat er in diesem Leben ein einzigartiges Werk geschaffen.

Nein, das ist ein viel zu trauriges Ende. Eine Geschichte über Janosch muss anders enden. Also: die Geschichte, wie aus Horst Eckert Janosch wurde. Er kam zu einem Verleger, die Sekretärin dachte, er sei ein gewisser Janosch, also brachte sie ihn zum Chef, da sagte Horst Eckert, er sei nicht Janosch, da sagte der Verleger, mir egal, du heißt jetzt Janosch, hier, trink Cognac, und die beiden tranken die halbe Flasche.

Dann schenkte er Janosch den Cognac und sagte, er solle ein Kinderbuch für ihn machen. Heraus kam sein erstes Buch, die Geschichte von Valek, dem Pferd.

So lustig kann das Leben sein.

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